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Wenn der Tag nicht mehr dir gehört: Detox für einen überfüllten Kopf

  • Autorenbild: Jutta Baur
    Jutta Baur
  • 5. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

Neulich habe ich mein Handy mit Marmelade ziemlich übel beschmiert. Nicht aus Versehen, sondern weil ich es auf dem Küchentisch abgelegt hatte und der Marmeladenrest an meiner Hand irgendwie… na ja, sagen wir "kontaktfreudig" war. Ich stand da, mit dem ersten Kaffee in der Hand und scrollte durch Nachrichten, Reels, Gruppen-Chats während mich mein Frühstück langsam klebrig machte. Irgendwann fiel mir auf: Mein Tag begann nicht mit mir. Sondern mit Schlagzeilen, Push-Benachrichtigungen und der Stimme im Kopf, die sagte: „Du solltest eigentlich schon längst…“


Worum es hier geht:



Innere Unruhe erkennen: Wenn Gedanken lauter sind als du selbst

Es ist nicht nur der Körper, der manchmal nach Entlastung ruft. Oft ist es dein Kopf, der schreit – ganz leise, aber unüberhörbar. Deine Energie, die plötzlich flach liegt, obwohl du eigentlich gar nichts „Schweres“ gemacht hast. Deine Stimmung, die wie ein Wetterumschwung kommt, auch wenn draußen die Sonne scheint. Und du stehst da, innerlich vollgestellt wie ein Einkaufskorb kurz vor der Kasse: Shampoo, zwei Sorten Joghurt (weil du dich nicht entscheiden konntest), zerknitterte Quittungen, eine Banane mit Druckstelle. Irgendwo dazwischen: DU.


Frische Staudenselleriestangen liegen gewaschen in einem Metallsieb – eine subtile Anspielung auf klassische Detox-Bilder, bewusst kontrastiert zum Thema mentale Entgiftung.

Gedankenhygiene statt Gedankenkarussell: Was dich wirklich überreizt

Detox, das klingt nach Selleriesaft. Muss es aber nicht.

Wir tun einiges, um uns körperlich besser zu fühlen: Wir trinken Tee, lassen Schokolade weg (na gut, meistens), machen Sport oder fasten. Aber beim inneren Müll wird’s schwieriger. Was mache ich mit dem Gespräch von gestern, das mich noch immer beschäftigt? Oder mit dem ständigen Hintergrundrauschen aus To-Do-Listen, fremden Meinungen und Reizüberflutung?


Womöglich beginnt geistiges Entschlacken gar nicht mit einem großen Plan, sondern mit einem kleinen Schmunzeln, wenn du dich z. B. beim Zähneputzen erwischst, wie du innerlich schon das nächste Problem durchkaust. Minzfrisch, aber überreizt.


Manchmal merkst du eben gar nicht, wie voll alles schon ist. Du läufst weiter, funktionierst, reagierst und nimmst diese unterschwellige Gereiztheit einfach mit. Als wäre sie zu einem Teil von dir geworden. Es ist kein lautes Drama, sondern eher dieses leise Zerren unter der Oberfläche. Ein ständiges Wegrutschen vom eigenen inneren Mittelpunkt.


Und dann wunderst du dich darüber, wie müde du bist, obwohl der Tag eigentlich nichts Besonderes war. Warum dein Kopf nicht zur Ruhe kommt, obwohl du längst auf dem Sofa sitzt. Vielleicht liegt es daran, dass du viel mehr aufnimmst, als du wahrhaben willst. Nicht mit Absicht. Es passiert einfach. Ein Gespräch, das nachhallt. Ein Blick, der stecken bleibt. Eine Stimme in dir, die alles kommentiert, ohne zu fragen, ob du das gerade brauchst.


Diese Unruhe ist oft nichts anderes als eine Reaktion auf zu viel. Zu viel Information. Zu viel Reaktion. Zu viel Außen. Und zu wenig Raum, in dem du einfach nur du sein darfst: ohne Anspruch, ohne Vergleich, ohne Lärm.

 

Reizüberflutung stoppen: Kleine Alltagsmomente als Rettungsanker

„Wieso findet sie denn ihr Portemonnaie nicht. ?!“

Diese Frage stellte ich mir gestern Morgen an der Supermarktkasse. Ich stand in der Schlange, vor mir eine Frau, die langsam und umständlich in ihrer Tasche wühlte, während die Kassiererin in Rekordtempo die Waren gescannt hatte und dann ungeduldig aufs Geld wartete. Mein Puls ging hoch, mein Blick wanderte zur Uhr, innerlich war ich schon zwei Termine weiter. Heute muss ich doch…, dann noch…nicht vergessen…


Und plötzlich fiel mir auf: Ich hatte diesen Tag noch nicht einmal richtig betreten und war schon auf dem Weg in den nächsten. Diese Szene, ganz unspektakulär, zeigte mir: Ich schlucke nicht nur Nachrichten, Serien und die Stimmen anderer. Ich nehme auch Stress in mich auf. Hektik. Den Takt, den andere vorgeben.

Und der bekommt mir ungefähr so gut wie der dritte Espresso nach 16 Uhr.

 

Innere Stimme stärken: Was sie sagt, wenn du endlich zuhörst

Manchmal reden wir innerlich mit uns wie ein schlecht gelaunter Radiomoderator: laut, hektisch, pausenlos. Dazwischen Werbeblöcke für Selbstoptimierung, Erfolg, Ordnung, Ziele. Und irgendwo ganz hinten flüstert eine leise, klare Stimme, die wir meist überhören. Nicht, weil sie nichts zu sagen hätte. Sondern weil es einfach um uns herum zu laut ist.


Vielleicht ist Detox für den Geist nichts anderes, als dieser Stimme wieder mehr Raum zu geben. Nicht mit Techniken, sondern mit kleinen Pausen im Alltag, in denen wir nicht gleich das nächste aufsaugen.


Frau mittleren Alters lehnt nachdenklich den Kopf auf die Hand und schaut ruhig in die Kamera. Vor ihr stehen mehrere schwarze und weiße Gläser – Symbol für Überforderung und innere Reizflut.

Den Kopf zu entgiften beginnt man leise: Wenn du dich selbst beim Hetzen ertappst

Ich habe neulich an einer roten Ampel neben einer Frau gestanden, die ihren Fahrradlenker mit einer Hand festhielt, während sie mit der anderen versuchte, eine Brötchentüte zu öffnen. Die Ampel sprang auf Grün. Sie schaffte es nicht rechtzeitig und lachte. Einfach so. Kein genervtes Augenrollen, kein hektisches Weiterhetzen. Nur ein ehrliches, kurzes Lachen über sich selbst.

Ich dachte: Genau das ist es. Diese kleinen Brüche im System, wo wir nicht gleich weiterrennen, sondern kurz merken: Ich bin hier. Und es ist gar nicht schlimm, wenn ich nicht perfekt funktioniere.

 

Energieräuber erkennen: Welche Gespräche dich leer machen und welche dich nähren

Am Ende ist geistige Entgiftung ein liebevolles Erkennen. Ein inneres Lächeln, wenn du dich mal wieder beim Multitasking erwischst, obwohl du weißt, dass du davon eigentlich nur Kopfschmerzen bekommst. Wenn du merkst, dass all die Bildschirme, Stimmen und Inhalte deinen inneren Frieden mehr stören, als jede anstrengende Familienfeier.

Menschen, die müde machen und solche, die Licht bringen.


Auch Beziehungen gehören zum inneren Konsum. Mit manchen Menschen redest du und danach fühlst du dich, als wärst du durch einen Weichspüler gezogen worden: duftend, weich, schlaff und irgendwie leer. Und es gibt andere, bei denen du nach zehn Minuten mehr bei dir bist als nach einem ganzen Yoga-Retreat.


Den Unterschied zu erkennen ist Teil deiner inneren Hygiene. Nicht in dem Sinne, dass du nun konsequent Kontakte aussortierst. Aber zu merken, was dir guttut und was dich auf Dauer runterzieht ist wie ein Fenster aufmachen im Kopf.

 

Einfach mal nichts tun: Warum dieser kleine Luxus deinen Geist klärt

Der stille Luxus: nichts tun und trotzdem ganz da sein.

Wenn du das nächste Mal im Auto sitzt, im Supermarkt wartest oder die Spülmaschine ausräumst kannst du dir einen klitzekleinen inneren Freiraum gönnen. Kein Podcast. Kein Gedankenkarussell. Kein Selbstgespräch à la „Ich müsste noch…“. Einfach nur du, in deinem Körper, in diesem Moment, mit der absurden Erkenntnis: Ich bin da. Und das reicht.


Ja, Detox kann Selleriesaft sein. Aber manchmal ist es auch das Weglegen des Handys, bevor du ins Bett gehst. Oder das nicht-gelesene Kommentar-Feuerwerk unter dem neusten Insta-Post. Oder das bewusste Nicht-Mitreden, während andere debattieren.


Etwas ganz Kleines – das du sofort machen kannst:

Lösch heute Abend eine App von deinem Handy, die du sowieso selten nutzt, aber ständig aus Gewohnheit öffnest. Beobachte, was dadurch in dir entsteht: Langeweile? Erleichterung? Raum für dich?

Manchmal beginnt geistige Freiheit mit einem einzigen Klick. Und mit der Erlaubnis, weniger zu müssen.


Oder wenn du magst probiere den Duschknopf-Trick:

Beim Duschen: Dreh das Wasser für drei Sekunden ab, bevor du zum Shampoo greifst. Nur stehen. Nur Nässe. Nur Haut. Erst dann weiter.

Diese drei Sekunden sind nicht fürs Weltretten. Nur für dich.

 

Was bleibt?

Eventuell ein kleiner, leiser Gedanke: Dass das, was wir aufnehmen, ob Worte, Bilder, Energie oder Menschen, sich in uns fortsetzt. Dass wir innerlich klarer werden dürfen, ohne gleich alles zu hinterfragen oder umzubauen.


Ein bisschen weniger Lärm. Ein bisschen mehr du.


Und vielleicht, ganz vielleicht, reicht das schon als sanfte Kur für den Geist: Die Einsicht, dass du nicht immer mehr brauchst, sondern manchmal weniger von dem, was dich von dir selbst entfernt.


Herzlichst

Jutta

 
 
 

2 Kommentare


Pia Hübinger
06. Mai

Liebe Jutta,


was für ein wohltuender Text. Ich bin mit deinem Artikel durch einen inneren Detox-Spaziergang gegangen – nicht linear, sondern wie durch einen Garten voller kleiner Aha-Momente, leiser Spiegel und Selbsterkenntnisse.


Du schreibst so nahbar und klug, dass man sich beim Lesen nicht belehrt, sondern liebevoll begleitet fühlt.


Besonders gut hat mir der Marmeladenmoment am Anfang gefallen! So banal und gleichzeitig so symbolisch für das, was vielen von uns jeden Morgen passiert: Wir lassen uns vereinnahmen, bevor wir überhaupt bei uns ankommen. Du beschreibst diesen Prozess nicht anklagend, sondern beobachtend – mit einem Augenzwinkern und einer großen Portion Mitgefühl. Das ist radikal freundlich. Und genau das braucht unsere Zeit so dringend.


Sehr herzlich

Pia


https://beziehungsweise.cologne/blog


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Jutta
06. Mai
Antwort an

Liebe Pia,

danke dir für diese Rückmeldung.

Was du beschreibst, ist genau das, was ich mir beim Schreiben wünsche: dass sich jemand wiederfindet, ohne sich erklären zu müssen. Dass Gedanken nicht belehren, sondern begleiten.

Und ja, der Marmeladenmoment. Gerade weil er so alltäglich ist, bleibt er hängen. Ich glaube, solche Kleinigkeiten erzählen oft mehr über uns als die großen Themen.

Es tut gut zu lesen, dass der Text etwas in dir bewegt hat.

Herzliche Grüße

Jutta

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